Vielleicht ist es euch aufgefallen: Die FZ hat in diesem Jahr oft Dialog-Rezensionen geschrieben. Wahrscheinlich, um die fehlenden Plaudereien im Festivalgarten auszugleichen. Jetzt schauen FZ-Redakteurinnen Lisa und Laura zurück - in einem letzten, glorreichen Dialog.
Laura: Jetzt ist vorbei. Fast 3000 Nachrichten aus Slack, dem Chatprogramm der FZ-Redaktion, durchschnittlich 9 Stunden Bildschirmzeit am Tag, 11 Stücke und 23 Lichtjahre vom Festspielhaus entfernt. Wie geht’s?
Lisa: Ein bisschen Kopfweh, ein bisschen Wehmut, ein bisschen Revue passieren lassen. Mein Avatar hat die Nächte in Gather Town verbracht, während ich ein bisschen geschlummert habe. Hast du auch den Hamster mit Jazzmusik getroffen?
Laura: Ne! Ist der normalerweise auch da?
Lisa: Ich glaube, er hat sich nur in ausgewählten Momenten gezeigt… Wenn sich dann die Wege mal kreuzten, schaute eine*n dieses kleine Hamsterchen an und zusammen mit der Jazzmusik trat sofortige Entspannung ein. Definitiv ein Highlight.
Laura: Hammer, ich glaube, genau so sah ich auch beim Streamen aus. Ein Highlight war für mich auf jeden Fall, vor meinem Bildschirm zu sitzen, feelings zu haben und mir Gedanken darüber zu machen, wie sich diese in Worte fassen lassen. Auch die Momente der Verbundenheit, wenn es während eines Stücks im Gather-Chat Szenenapplaus gab und man wieder erinnert wurde: Ah, gerade sitzen viele Leute alleine vor ihren Bildschirmen und haben feelings. Ersetzt natürlich nur begrenzt die Momente, in denen man im halbdunklen Publikumsraum umherspäht und Leuten ihre Ergriffenheit unter ihren Pokerface-FFP2-Gesichtern ablesen kann. Aber du hast ja auch ein paar Mal sehr cool moderiert! Sag mal, wie ist das, Menschen in echt zu sehen?
Lisa: Also ich find Menschen in echt sehen echt gut. So ein bisschen sich im Vorbeigehen streifen, die gesamte menschliche Erscheinung von Kopf bis Fuß und nicht nur Oberstübchen mit Schultern dran. Da hab ich meistens ne wahre Freude dran. Laura (also, Moderations-Laura, ihr teilt euch ja den selben Namen) und ich haben uns gestern auf der Bühne so tief in die Augen geschaut, da hats gleich angefangen zu kribbeln im Bauch. Und Bauchkribbeln durch Augenschauen hatte ich auf jeden Fall noch nie durch den Screen. Aaaber es war ja auch beim Moderieren so eine lustige, nicht ganz greifbare Mischung aus Menschen in Echt und Menschen im Space. Und ich war wirklich ganz baff, wie menschlich und wholesome dieser Umzug ins digitale Festival-Universum war. Ein paar Pläusche hier und da, ein Wiedersehen und sich im Festivalgelände Suchen, Hinterherlaufen, Beisammenstehen und gemeinsames Stückeschauen.
Laura: Total! Das Gewusel hat mich auch daran erinnert, wie es bei den TTJs immer zuging: immer was los, ab und an mal ein paar Leute (oder Avataren) wiedererkennen und der Stau vor dem Eingang, kurz bevor das Stück losgeht. Ich habe mich natürlich schon immer wieder gefragt, wie der Aufenthalt im Universum unser Schreiben von Rezensionen beeinflusst hat. Es mussten natürlich ganz andere Aspekte berücksichtigt werden und alleine schon die unterschiedlichen Herangehensweisen der Ensembles an das online-Format war eine Rezension wert. Vielleicht haben wir uns dieses Jahr deshalb auch stärker auf Handlung und Dialoge konzentriert in unseren Texten, weil viel von der Körperpräsenz der Spieler*innen, der Intensität, den Möglichkeiten mit dem Theaterraum zu spielen wegfiel - zumindest war dem einfach schwerer nachzuspüren durch die Lenkung des Kameraauges. Was meinst du?
Lisa: Ja das stimmt. Der Blick ist natürlich viel gelenkter, wenn die Bildausschnitte schon ausgewählt sind. Eigentlich macht gerade das am Theater ja oft so Spaß, dass jede*r Zuschauer*in selbst entscheiden kann, worauf die Aufmerksamkeit sich richtet. Aber ich finde, dass es bei den Inszenierungen ziemlich toll gelöst war. Verschiedene Formate, live, interaktiv oder vorproduziert, da gab es für mich viel zu entdecken! Hast du was vermisst?
Laura: Von der Kreativität der Ensembles war ich auch richtig positiv überrascht. Insofern - klar, irgendwas gibt’s immer zum Vermissen. Was ich am meisten vermisst habe, und da spreche ich glaube ich für die gesamte Redaktion: mehr Zeit. Zeit zum Reflektieren beim Essen, zum Umhergehen und Stimmungen Aufnehmen, eingebunden zu sein in den Minikosmos, der für ein paar Tage entsteht und dann heimzukommen und auszupacken. Das war für uns schon auch herausfordernd, oder? Sich ohne Verbindungsprobleme und ohne digitale Ablenkungen komplett aus dem normalen Leben zu beamen?
Lisa: Fand ich auch. Es ist wirklich so easy, den ganzen Tag vor dem Computer zu hocken und dann ist es zehn und ich hab vergessen, einzukaufen. Wenn ich so überlege, bin ich mir noch nicht mal sicher, ob die Woche überhaupt stattgefunden hat? War ich wirklich sieben Tage lang ein Avatar in einem neuen Universum? Hab ich überhaupt moderiert? Gab es einen Hamster mit Jazz-Ambiente? Ich glaube, ich brauche erstmal noch eine Woche, um alle Eindrücke verdaubar zu portionieren, auseinanderzuziehen, zu entwirren und nochmal durchzufühlen. Aber ich bin so ganz wohlig gefüllt mit allem. So ein bisschen als hätte ich ein paar verschmolzene Galaxien im Bauch.