Ich soll die Welt retten, aber wie?

Um die Ensembles schon vor dem Festival kennenzulernen, hat die FZ sie einfach angerufen. Wie in einem Blind Date: Immer ein Redaktionsmitglied mit einem Ensemblemitglied, beide kannten sich vorher nicht. Heute: Miedya von der FZ spricht mit Lila des Ensembles FutureGroup vom Theater an der Parkaue.

Um die Ensembles schon vor dem Festival kennenzulernen, hat die FZ sie einfach angerufen. Wie in einem Blind Date: Immer ein Redaktionsmitglied mit einem Ensemblemitglied, beide kannten sich vorher nicht. Heute: Ansgar von der FZ spricht mit Niclas und Rozhina vom Gorki Jugendclub Die Aktionist*innen.

M: Hi Lila, ich bin Miedya, wie geht’s dir denn heute morgen?

L: Eh, ich hab heute eine Physikklausur geschrieben, vorhin, und bin ganz froh, dass ich  das hinter mir hab und ich hab mich auf jeden Fall auf das Interview gefreut, weil ich ganz aufgeregt war und so ‚huh was wird passieren?‘, aber ja, glaub ich bin nicht super schlecht gelaunt, aber auch nicht super gut. Durchschnittlich halt.

M: Ab ´nem gewissen Alter freut man sich ja auch, wenn man einfach so okay ist. [Beide lachen] Du hast in den letzten Monaten gemeinsam mit deinem Ensemble ein Stück erarbeitet und das online geprobt und performt. Wie hat das geklappt?

L: Am Anfang konnten wir uns das alle gar nicht vorstellen. Wir hatten uns lange sehr auf den Beginn der Proben gefreut, und genau dann konnten diese nicht mehr in Präsenz stattfinden. Daraufhin mussten wir uns zunächst die Frage stellen, wie wir das ganze am besten technisch umsetzen, sodass auch wirklich alle mitmachen können. Manche von uns hatten nämlich gar keine Webcam oder noch nicht mal einen Computer zur Verfügung. Und überhaupt war die Vorstellung sehr gewöhnungsbedürftig, zu Hause alleine vor unseren Rechnern Theater zu spielen anstatt gemeinsam auf der Bühne. Allerdings hat man gemerkt, dass das ganze von Probe zu Probe immer besser funktioniert hat, und es hat sich auch relativ schnell ein gemeinschaftliches Gefühl eingestellt.

M: Wie hat sich diese besondere Situation auf euch als Gruppe und die Dynamiken untereinander ausgewirkt?

L: Es macht schon einen großen Unterschied im Vergleich zum gemeinsamen Proben in Präsenz. Dort hat man beispielsweise in den Pausen und hinter der Bühne ganz andere Möglichkeiten, miteinander zu interagieren und sich zu vernetzen. Im Onlineformat lag der Fokus vor allem auf dem Proben des Stücks, da ging viel an anderweitiger Interaktion verloren und man hat sich viel weniger kennengelernt. Gerade das finde ich im Nachhinein besonders schade, da ich solche Theaterprojekte immer gerne dafür nutze, neue Menschen zu treffen und kennenzulernen.

M: Kannst du uns ein paar Einblicke in den Entwicklungsprozess des Stückes geben?

L: Zunächst haben wir gemacht, was Joanna, unsere Regisseurin, bei der Ausarbeitung eines neuen Stückes immer mit allen Mitwirkenden macht: Sich wahnsinnig viel Wissen aneignen und Informationen sammeln. In dieser Phase haben wir als Gruppe beispielsweise Workshops zum Thema „Zero Waste“ gemacht, uns Filme und Dokumentationen zu entsprechenden Themen angeschaut, an informativen Waldführungen teilgenommen, eigentlich illegal campierende aber „geduldete“ Obdachlose besucht oder uns Fachvorträge zum Klimawandel von Wissenschaftler*innen an Forschungsinstituten angehört. Und daraufhin folgte der schwierige Teil: Wie gelingt es uns jetzt, all diese gesammelten Informationen cool und unterhaltsam aufzubereiten? Eben so, dass die Leute sich nicht wie in einer Lesung oder einem Vortrag, sondern wie in einem richtigen Theaterstück fühlen. Die Herausforderung steckte darin, die richtige Balance zwischen Unterhaltung und Information zu finden.

M: Wie habt ihr das letztlich szenisch umgesetzt?

L: Für den Anfang haben wir alltägliche Situationen gewählt, die im Prinzip jede*r in unserem Alter kennt: Man isst Nutella, lässt beim Duschen zu lang das Wasser an, selbst wenn man sich bewusst entscheidet den veganen Hummus statt der Wurst zu kaufen kommt selbst dieser noch in der Plastikschale. Und nach all diesen Situationen wird man von seinen gleichaltrigen Freund*innen darauf hingewiesen, wie viel Palmöl eigentlich in Nutella steckt und in welchen ganzen anderen Sachen auch noch, wie viele hunderte Liter Wasser jeder einzelne Duschgang verbraucht oder wie nicht-recyclebares Plastik die Weltmeere verschmutzt: daraus ergab sich für uns dann relativ schnell ein Kreis ständiger gegenseitiger Kritik und Zurechtweisung, in dem wir alle uns befinden. Inklusive großer Verunsicherung darüber, welches Verhalten am Ende denn jetzt eigentlich „richtig“ ist. Und am Ende des Stückes ist da die ganze Wut darüber, dass wir uns  als Jugendlich praktisch in ständiger Beschäftigung mit diesen ganzen Themen befinden, während es letztlich die vorherigen Generationen sind, die das Ganze zu verantworten haben und sich schon viel früher damit hätten beschäftigen müssen, da es jetzt schon fast zu spät ist. Am  Ende bleibt nur noch dieses Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit, das letztlich in Wut mündet.

M: Ich soll ein cooles, lockeres Interview mit dir halten. Aber beim Klimawandel denk ich oft nur noch ‚Fuck, da fehlt die Panik. Warum brechen die Leute nicht in Panik aus???‘ Und ich glaube, das ist auch so ein Problem, mit der Individualverantwortung. Du und ich als Individuen haben nicht den Klimawandel zu verantworten. Trotzdem stehen wir dann vor’m Milchregal und denken ‚Scheiße, ich muss die Welt retten, aber wie?‘ und dabei wäre es Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik gewesen, es gar nicht erst soweit kommen zu lassen, wenigstens jetzt zu handeln. Das sind unsere gewählten Repräsentant*innen. Und die lassen uns halt seit Jahrzehnten ins offene Messer laufen.

L: Ja, voll- natürlich schaffe auch ich es nicht immer, mich 100% nachhaltig zu verhalten. Und die Arbeit an diesem Projekt hat mir auch nochmal bewusst gemacht, dass eine nachhaltige Lebensweise eben auch nicht jedem ohne Weiteres möglich ist, allein wenn man sich den finanziellen Aspekt anschaut. Die Hafermilch im TetraPak ist schon etwas teurer als Kuhmilch, aber wenn ich versuche eine pflanzliche Milchalternative aus der Region ohne Plastikmüll zu bekommen bin ich schnell bei 3,50 Euro pro Liter, da müssen viele nun mal an irgendeiner Stelle Zugeständnisse machen. Generell wird in der ganzen Debatte zum Thema Klimawandel häufig sehr viel Verantwortung auf das Individuum abgewälzt, während Wirtschaft und Politik sich geschickt aus der Affäre ziehen. Wenn ich so drüber nachdenke, könnte der Aspekt mit der unrealistisch hohen Individualverantwortung im Stück auch noch viel stärker thematisiert werden.

M: Direkt Material für‘s zweite Stück!