Um die Ensembles schon vor dem Festival kennenzulernen, hat die FZ sie einfach angerufen. Wie in einem Blind Date: Immer ein Redaktionsmitglied mit einem Ensemblemitglied, beide kannten sich vorher nicht. Heute: Laura von der FZ spricht mit Kira vom piccolo Jugendclub.
Um die Ensembles schon vor dem Festival kennenzulernen, hat die FZ sie einfach angerufen. Wie in einem Blind Date: Immer ein Redaktionsmitglied mit einem Ensemblemitglied, beide kannten sich vorher nicht. Heute: Ansgar von der FZ spricht mit Niclas und Rozhina vom Gorki Jugendclub Die Aktionist*innen.
Laura: Hallo Kira! Wie ist denn dein aktuelles Stresslevel?
Kira: Relativ hoch. Ich habe gerade angefangen, unter der Woche im Altersheim zu arbeiten und stehe dafür um 5 Uhr auf. Es ist schwierig, das mit dem Politikwissenschaften- und Soziologiestudium unter einen Hut zu kriegen.
L: Das klingt anstrengend. Und was für Socken trägst du denn heute?
K: Moment, ich schaue mal eben. Weiße. So mit rosa und Glitzer.
L: Wie stehst du mittlerweile zu dem Stück? Manchmal ist es ja so, dass man nach längerer Zeit anders als am Anfang zu etwas steht, bei dem man mitgewirkt hat.
K: Wir hatten Anfang August Premiere es gab überwiegend positive Resonanz. Manche Leute meinten, sie würden jetzt auch ihr Handeln anders reflektieren.Einige andere Sachen, die wir im Stück ansprechen, haben sich bestätigt. Also zum Beispiel wie die Pandemie und alles was daran hängt, sich in den letzten Monaten ziemlich krass entwickelt hat. Auch inhaltlich ist alles super aktuell und hat sich eher verschärft. Insofern bin ich gespannt, wie die Reaktionen jetzt ausfallen.
L: Wie habt ihr das denn mit den Proben gemacht?
K: Zum Teil mit Masken geprobt, vor allem wenn Chöre gesprochen haben, und versucht, auf Abstand zu gehen. Aber irgendwie konnte durch die ganze Situation auch nochmal eine apokalyptischere Stimmung erzeugt werden, es hat dem also gar keinen großen Abbruch getan.
L: Gibt es ein bestimmtes Ritual, das ihr als Piccolo-Ensemble habt?
K: Wir haben verschiedene Rituale, bevor wir auf die Bühne gehen. Wir sprechen vieles nochmal durch, um uns sicherer zu fühlen, machen ein paar Sonnengrüße und dann gibt noch andere Rituale, die nicht nach außen dringen dürfen, damit sie auch weiter funktionieren.
L: Na gut, na gut. Du meintest ja, du warst die gesamten zwölf Jahre deiner Schulzeit auch im Theater. Hast du auch das Gefühl, dass dich das ein wenig von den Auswirkungen unseres tollen Bildungssystems bewahrt hat?
K: Auf jeden Fall. Ich glaube ich habe im Theater mehr gelernt als in der Schule. Vor allem habe ich tolle Leute getroffen. Es war immer ein guter Ausgleich, ich habe auch dort gelernt, mich für politische Dinge zu interessieren und einzusetzen. Deshalb jetzt auch meine Studienwahl.
L: Wie seid ihr denn an die Themen herangegangen?
K: Es gab immer ein paar Bücher, die gelesen werden konnten und auf deren Basis sind dann Diskussionen entstanden. Dann wurden manchmal noch Dokus oder Texte in die Gruppe geschickt. Wir hatten auch am Anfang der Produktion ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin der LEAG, das ist hier der Tagebau in der Lausitz. Viele Leute in der Lausitz arbeiten ja dort, das ist der größte Industriezweig hier und es war wichtig, dass wir da nicht einfach drüber hinweggegangen sind, sondern uns damit auch auseinandergesetzt haben.
L: Also ihr habt diese Gespräch nicht nur geführt, um eure Argumente zu testen, sondern auch um zu verstehen, wie die anderen so denken?
K: Genau, weil wir uns davon ja nicht freimachen können. Auch in unserem Bekannten- oder Verwandtenkreis gibt es eben Leute, die davon abhängig zu sind. Wir wollten sehen, wo die ganzen Widersprüche zwischen Umweltbewusstsein und Arbeit entstehen. Die Mitarbeiterin war sehr verhärtet und ist gar nicht auf uns eingegangen, wir hingegen haben die ganzen Bücher und Texte gelesen und die Welt vor einem Ende gesehen und dann nicht so richtig damit umgehen konnten, dass ihr Standpunkt so gefestigt war.
L: Hat sie euch so als jung und unwissend abgetan?
K: Genau. Sie meinte zum Beispiel auch so, ok ich habe schon mal ein Joghurt in einem Glas gekauft - auf dem Niveau bewegt sich das. Sehr verständnislos.Das ist natürlich was, womit man täglich konfrontiert wird, dieser Gegensatz zwischen konservativen Leuten, die nur Symptome bekämpfen wollen und dann diesem Wissen, das wir gesammelt haben.
L: Findest du denn dass Theater politisch werden muss?
K: Ich kann sagen, dass ich an kritischen Stücken mehr Spaß haben. Einfach, weil politische Diskussionen oft eher verhärtet sind und ich glaube, dass Kunst eine gute Vermittlerin sein kann von Information, Kritik oder neuen Standpunkten und dass auch Theater eine Grundlage zur Diskussion sein oder neue Anstöße bringen kann. Der Jugendclub ist eine sehr politische Theatergruppe. Letztes Mal gab es ja auch die Produktion „boys don’t cry“, darin ging es um toxische Männlichkeit, zuvor gab es das Stück KRG, das Flucht und Vertreibung zum Thema hatte.
L: Was würdet ihr denn gerne über euch oder euer Stück in der FZ lesen?
K: Das ist eine schwierige Frage. Ich glaube es ist immer gut zu hören, dass wir viele verschiedene Sichtweisen aufzeigen, aber auch eine klaren Standpunkt haben, dass wir eben kapitalismuskritisch sind oder auch aufzeigen, was die Hauptverursacher des Klimawandels sind. Es ist aber schwierig zu beantworten, weil man sich ja vor allem über Sachen freut, die man gar nicht vordergründig als positiv empfindet und die andere dann bemerken.
L: Vielen Dank für das Telefonat!