Um die Ensembles schon vor dem Festival kennenzulernen, hat die FZ sie einfach angerufen. Wie in einem Blind Date: Immer ein Redaktionsmitglied mit einem Ensemblemitglied, beide kannten sich vorher nicht. Heute: Tabea von der FZ spricht mit Tessa vom Jungen DT aus Berlin.
Um die Ensembles schon vor dem Festival kennenzulernen, hat die FZ sie einfach angerufen. Wie in einem Blind Date: Immer ein Redaktionsmitglied mit einem Ensemblemitglied, beide kannten sich vorher nicht. Heute: Ansgar von der FZ spricht mit Niclas und Rozhina vom Gorki Jugendclub Die Aktionist*innen.
Tabea: Hey Tessa! Drei kurze Einstiegsfragen, um ein Gefühl zu bekommen, mit wem ich gerade spreche. Welches Buch ist dir räumlich am nächsten?
Tessa: Vom Ende der Einsamkeit von Benedict Wells.
Tabea: Wie viele Kaffeetassen stehen in deinem Zimmer?
Tessa: Zwei Teetassen.
Tabea: Was ist deine Lieblingsrequisite aus dem Stück?
Tessa: Ein Armband. Wir haben am Anfang alle einen Gegenstand, der uns an eine Person aus dem Stück erinnert. Persönlich verbinde ich viel damit.
Tabea: An welche Person erinnert es dich?
Tessa: Dazu muss ich das Stück kurz erklären! Wir spielen ein interaktives Rätselgame. Laura geht in die 11. Klasse und findet am letzten Tag des Präsenzunterrichts einen Brief von ihrer besten Freundin Emmi in ihrem Spind. Diese bittet sie um Hilfe, kann aber nicht genau sagen, was passiert ist, weil sie Angst hat, dass jemand vor Laura diese Nachricht liest. Deshalb verpackt sie ihre Botschaft in Rätseln in ihren Schulheftern. Laura wendet sich an das Publikum und bittet es um Hilfe.
Das Armband ist ein Armband, das Laura und Emmi zusammen in der Grundschule gebastelt haben. Das wird dem Publikum gezeigt. Es ist ein Armband, das auch ich schon in der Grundschule gebastelt habe, deshalb hat es eine besondere Bedeutung für mich.
Tabea: Sind all deine Requisiten aus deinem eigenen Fundus?
Tessa: Vom Theater haben wir einen Filzstift und eine Sim-Karte gestellt bekommen. Alles andere ist aus unserem eigenen Fundus. Zum Beispiel habe ich im Hintergrund meiner Webcam eine Polizeiwand auf einer Landkarte von Berlin, es hängen ein paar Pins und Bilder im Hintergrund.
Tabea: Spielt ihr das Stück von zuhause aus?
Tessa: Ja. Alles aus dem Kinderzimmer heraus! Wir haben uns noch nie live gesehen, sind aber ein richtig tolles Ensemble geworden.
Tabea: Wie viel des Stücks habt ihr gemeinsam entwickelt?
Tessa: Am Anfang unserer Probenzeit haben wir uns kennengelernt, ein Escape-Room-Spiel gespielt und über unsere eigene Schulzeit gequatscht. Dann haben wir selber angefangen, Mood-Boards über die Charaktere und Cliquen in dem Stück zu entwerfen – über die Chemie-Nerds und Theater-Kids. Haben dann Rollensteckbriefe geschrieben und die Charaktere mit Inhalten gefüllt.
Wir haben auch aus unserer eigenen Schulzeit die Hefte rausgekramt und Arbeitsblätter rausgesucht, die uns besonders viel oder wenig Freude bereitet haben. Daraus sind dann die Hefter entstanden, die das Publikum zugesendet bekommt.
Tabea: Was ist anders daran, ein Stück mit Menschen zu machen, die man nie live sieht?
Tessa: Es ist eigentlich nichts anders daran, es ist nur schade, dass die Gespräche vor und nach den Proben verloren gehen. Man weiß gar nicht: Wie groß sind die Anderen? Wie sehen die von der Seite aus? Ab der Hüfte abwärts? Sie könnten auch Zentauren sein, halb Mensch halb Pferd.
Tabea: Habt ihr besonders trainiert, mit der Kamera zu spielen?
Tessa: Wir haben uns schon überlegt, was es bewirkt, wenn man näher an die Kamera geht, aufsteht, oder den Raum verlässt. Das ist ja alles möglich – in dem Stück ist es inhaltlich sogar vollkommen vertretbar, auf Toilette zu gehen.
Tabea: Wir stark interagiert das Stück mit den Zuschauer*innen?
Tessa: Sehr stark. Es ist ein immersives Stück und sehr auf das Publikum zugeschnitten. Die Zuschauer*innen bekommen am Anfang einen Brief und einen Schulhefter von Laura zugesendet. Dieser Schulhefter gehört Emmi und in ihm sind die Hinweise und Rätsel versteckt. Dann geht’s in ein Zoom-Meeting. Laura fungiert als Spielleiterin. Schritt für Schritt müssen die Rätsel gelöst werden, bis das Spiel gelöst ist.
Wir haben keinen festen Text, sondern nur bestimmte Schlüsselwörter, damit das Rätsel lösbar ist. Ansonsten ist das Stück sehr spontan und geht auf die Fragen und Aussagen des Publikums ein. Es hat immer denselben Ausgang, aber der Lösungsweg ist nicht immer gleich.
Tabea: Besonders ist an eurem Spiel für mich auch, dass jede*r jede Rolle spielt. Macht ihr es euch damit nicht schwerer, als es sein müsste?
Tessa: Aber auch viel toller! Wir spielen in festen Zweierteams. In diesen Zweierteams wechseln wir die Rollen, weil das viel abwechslungsreicher ist. Laura ist sehr präsent und immer im Zoom-Meeting. Die anderen beiden Rollen sind der Chemie-Nerd und das Theater-Kid. Die treten nur über Telefon und Chat mit dem Publikum in Kontakt.
Tabea: Was ist für dich am stärksten an eurem Stück?
Tessa: Dass man als Zuschauer ein wirklich vollwertiges Erlebnis hat. Wir haben so viele unterschiedliche Medien, die wir bedienen. Man kriegt echte Post, ist im Zoom-Chat, telefoniert mit echten Menschen. Die Rolle des Theater-Kids macht mir auch am meisten Spaß, weil man mit dem Publikum telefoniert und so richtig nah dran ist. Wir haben einen Chat, man kann sich durch echte Websites klicken, man erhält und schreibt Emails.
Tabea: Sind Online-Aufführungen nur eine Notlösung aufgrund der Pandemie?
Tessa: Ich würde es nicht als Notlösung bezeichnen. Unser Stück wäre gar nicht besser, wenn man es live sieht. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass es auch nach der Pandemie Bestand hat. Es ist eine super Möglichkeit, sich zu treffen. Zum Beispiel hatten wir auch mal eine Familie dabei, die quer durch Deutschland gewohnt und sich online für unser Spiel getroffen hat.
Tabea: Möchtest du noch etwas ergänzen?
Tessa: Ganz toll ist, dass wir ein Grundvertrauen und viele Freiheiten bekommen haben. Lasse hat mal zu uns gesagt, dass es uns genauso viel Spaß machen muss, wie dem Publikum. Wir können die Charaktere mal fröhlich, mal traurig, mal aufgeregt spielen. Wir können das Publikum auf eine falsche Fährte führen. Wir haben die Möglichkeit, bei jeder Vorstellung etwas Neues zu probieren.
Tabea: Danke, Tessa!