Sie rufen an, LNMI legt auf!

FZ-Redakteurinnen Lisa und Laura sprechen mit Lan Mi (DJ Name LNMI), die am Samstagabend  beim TTJ aufgelegt hat. Dabei unterhalten sie sich darüber, wann man seinen space einfordern sollte und warum clubben mit 80 auch noch möglich ist.

Lisa: Hallo Mi, magst du dich vorstellen und bisschen erzählen, wie du zur Auflegerei gekommen bist?

LNMI: Mein DJ-Name ist LNMI und ich lege seit letztem Sommer auf, da bin ich zu dem Leipziger BIPOC°-Kollektiv "music of color" gekommen. Es ging dann auch gar nicht so sehr um skills, sondern vordergründig darum, Musik miteinander zu teilen. Ich habe zuvor gedacht, um zu DJen muss man jeden Übergang drauf haben, aber eigentlich geht es ja um die Trackselektion°, den Aufbau und Kontext reinzubringen. Nebenbei tanze ich auch “House” und “breaking”, wahrscheinlich kennt ihr das unter "breakdance", aber das ist eher so ein white-washed°-Begriff. Dadurch habe ich dann auch einen anderen Zugang zur Musik. Ich finde, man sollte wissen, woher das Genre kommt, denn so viel Musik kommt aus der black culture, aber in vielen Clubs wird halt einfach gespielt, was gut ankommt – ich als DJ möchte da noch mehr beleuchten.

Laura: Weibliche DJs werden ja auch oft als DJane bezeichnet. Was meinst du, bist du DJ oder DJane?

LNMI: DJ. Das bedeutet ja übersetzt discjockey, und das ist im Englischen eh schon neutral. DJane ist eine deutsche Variante, die braucht es gar nicht.

Lisa: Du hast ja von deinem Kollektiv erzählt - bildet das für dich dann auch einen safe space oder bist du bei Auftritten trotzdem noch mensplainenden° Cis-Dudes° ausgesetzt? LNMI: Tatsächlich hatte ich das noch nicht, weil ich bisher immer innerhalb des Kollektivs aufgelegt habe und sich das dann sehr safe angefühlt hat. Aber was mir aufgefallen ist, als ich jetzt beim TTJ aufgelegt habe, dass alle Leute, die ich gesehen habe und die irgendwas mit Ton, Video, Technik zu tun hatten, Männer waren. Es hat sich schon anders angefühlt, ich habe mich dann etwas weniger bewegt als ich es sonst mache. Das ist mit dem Kollektiv einfach ein anderes Gefühl.

Laura: Ich bin auch in einem weiblichen DJ*-Duo und wir hatten oft den Eindruck, wir werden für die Quote angefragt, weil die Leute denken, es ist halt gerade "in" nicht nur weiße cis-dudes auflegen zu lassen, und nicht in erster Linie, weil die Leute unsere Musik geil finden. Hattest du diesen Eindruck auch schon einmal?

LNMI: Ich hab das auch so erlebt: Eine Freundin und ich wurden mal für einen Auftritt angefragt, alles wirkte total professionell und fancy und ich fand das voll krass. Als ich das den Leuten im Kollektiv erzählt habe, die schon erfahrener sind, meinten sie, dass das schon seltsam sei: die haben mich noch nie gehört, die wissen nicht welches Genre ich spiele, dass ich Anfängerin bin und vielleicht Druck habe, dort zu spielen. Das wurde nur von weißen Männern organisiert. Hätte ich  das Kollektiv nicht, hätte ich da auch nicht abgesagt. Außerdem wurde ich für ein Festival in München angefragt, aber die hätten mir nicht mal die Reise oder eine Gage bezahlt - aber freien Eintritt und veganes Essen. Dort habe ich dann auch schweren Herzens abgesagt, weil ich eigentlich jede Gelegenheit nutzen möchte - aber andererseits wird es so oft von Künstler*innen erwartet was for free zu machen. Wenn man sich dann schon veganes Essen leisten kann, kann man auch die Künstler*innen bezahlen.

Lisa: Ja, bei mir war das auch so! Am Anfang wollte ich jede Gelegenheit nutzen und erst nach ein paar Jahren habe ich dann gemerkt, omg man muss bezahlt werden!!! Ich musste erst lernen, für Bezahlung einzustehen. Als Frau ist es vielleicht nochmal schwerer, weil man gelernt hat, sich dankbar für alles zu zeigen. Gut, dass du da das Kollektiv hast, das dich stärkt.

LNMI: Stimmt. Ich weiß auch gar nicht, wie das bei anderen Frauen ist, die nicht in einem Kollektiv sind wie ich. Die dann einfach bei diesen Veranstaltungen auftreten und denken, dass genau das normal ist. Man muss mehr spaces für Frauen schaffen.

Laura: Da kann ich eine Geschichte erzählen. Wir haben vor ein paar Monaten auf einer Demo aufgelegt und in der ersten Reihe sind super viele komische Dudes rumgehüpft, die dann zum Teil auch ums Pult herumkamen und uns an unserem Equipment erklärt haben, wo wir lauter machen können. Hätte da so ein 2-Meter-Schrank aufgelegt, hätten die das nie gemacht. Es war als hätten sie sich vergewissern müssen, dass das immer noch “ihr” space ist, indem sie uns netterweise erklären wie unsere Knöpfe funktionieren.

LNMI: OMG wie awkward. Eigentlich hätte man die outcallen müssen. Einfach Musik aus und: "anscheinend gibt es hier Leute, die wissen es besser - dann spielt doch mal!" Man muss die bloßstellen, dann lernen die auch mal was.

Lisa: Ja, total! Gibt es denn etwas, das du angehenden DJs mit auf den Weg geben möchtest?

LNMI: Habt keinen Druck, technisch gut zu sein. Das kommt alles mit der Zeit, ich finde die Hauptsache ist, Musik zu sammeln, sich damit zu beschäftigen und dazu stehen, was man spielt. Das ist einfach ein super großer Part von DJing und dann kommen auch die anderen Sachen. Was auch noch wichtig ist, sich mit Leuten connecten, dranbleiben, aber auch nicht denken, es ist vorbei wenn ich mal nichts mache. Clubben und auflegen kann man auch mit 80. No pressure.

Trackselektion: die Auswahl an Liedern, die ein*e DJ trifftBIPOC: Black, Indigenous and People of Color. Es stellt eine Sammelbezeichnung dar, die sich die Community rassistisch bedrohter Minderheiten gegeben hat. Darin inbegriffen sind Schwarze, Indigene und sämtliche Menschen, die sich durch Herkunft, Wurzeln, Hautfarbe oder Religion Rassismus ausgesetzt sehen.whitewashed: hier bedeutet es, “breaking” auf eine Art und Weise darzustellen, die Bedeutung, Relevanz oder den Einfluss weißer Menschen erhöht und die von nicht-weißen Menschen minimiert oder falsch wiedergibt.mensplaining: Männer erklären weiblich gelesenen Personen etwas, obwohl diese nicht darum gebeten haben und es wahrscheinlich sogar selbst wissen. Damit wird indirekt gesagt: “sei dankbar, dass ich dir bedürftigem Wesen die Welt erkläre.”cis-Dude: ein Typ (Dude), der sich mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht (männlich) identifiziert.


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