FZ-Redakteurin Jannika beschließt, nicht jede Szene des Stücks “Emojiland” des Houseclub@HAU Hebbel am Ufer der Hector-Peterson-Schule zu interpretieren, sondern lässt sich von viel Spaß und Emojis überraschen.
Applaus, Applaus!
Ich hatte (mal wieder) überhaupt keine Erwartungen an das Stück gestern Abend und trotzdem haben die Schüler*innen der Hector-Peterson-Schule es geschafft, mich zu überraschen. Mit ihrer Art, mit dem Inhalt des Stück, mit Absurdität und den vielen Interpretationsebenen, die sie mir eröffneten.
Als der Stream losgeht, habe ich gleich ein herrlich nostalgisches Fernsehgefühl. Ein Tisch mit roter Samtdecke, hinter dem drei Menschen stehen und links daneben der*die Moderator*in. Ist das eine Quizshow auf einem Trashsender in den 90ern? Und warum beschleicht mich das Gefühl, dass es als Jugendliche meine Lieblingssendung gewesen sein könnte? Die wechselnden Moderator*innen führen auf eine so trockene und abgeklärte Art durch den Emoji-Dschungel, dass man meint, sie seien in ihrem zarten Alter schon Zyniker*innen der ersten Klasse. Zwischenzeitlich werde ich gesiezt und finde auch das eher lustig als unpassend. Schreibt jemand etwas "falsches" in den Chat, antworten die Moderator*innen mit einem kühlen "Das ist wirklich nicht so schwer". Ich frage mich, wo ich hier eigentlich gelandet bin und will gleichzeitig nichts anderes mehr sehen.
Bei den ersten Sätzen, die ich als Zuschauerin erraten soll, gehe ich noch davon aus, dass die Sätze wohl nach und nach komplizierter werden. Dass mehr Emoji-Schilder hinzukommen oder ich auf einer immer abstrakteren Ebene denken muss. Doch nichts davon geschieht. Stattdessen werden die Geschichten auf eine sehr lustige Art absurd, oft auch etwas morbid. Da gibt es einen Mann, der mit dem Auto gegen einen Baum fährt und die beim Unfall freigesetzten giftigen Gase einatmet, was ihn kurzerhand zum Zombie macht. Oder die Geschichte einer Schlachterin, anhand derer der Weg eines Fast-Food-Burgers nachverfolgt wird. Ständig frage ich mich: Ist das hier gerade Gesellschaftskritik? und habe darauf noch immer keine klare Antwort, außer: es ist ein Stück, das offen für so viele Interpretationsansätze ist.
Noch spannender als die verschiedenen Ebenen, die ich zur Interpretation aufmachen könnte, finde ich aber, was das Stück emotional mit mir macht. Denn obwohl es komisch (im doppelten Sinne des Wortes) ist, reißt mich Emojiland mit. Dabei geht es mir gar nicht so sehr um das Mitraten der Emoji-Sätze, sondern eher darum, endlich mal wieder stille Beobachterin von awkwarder, mal gescheiteter, mal erfolgreicher Kommunikation zu sein. Wenn auf einmal unzählige Nachrichten im Chat aufploppen und die Stimme im off die ersten Vorschläge vorliest, die wiederum von der*dem Moderator*in kommentiert werden, ist das für mich als Zuschauerin großartige Unterhaltung. So stört es auch nicht, als bei einem Satz ein falsches Emoji-Schild hochgehalten wird und die Moderatorin kurzerhand korrigiert. Im Gegenteil, es ist sehr unterhaltsam, weil ich den Eindruck habe, die Spielenden gehen mit einer solchen Gelassenheit an die Performance, dass sie eigentlich gar keine Fehler machen können. Egal, was sie sagen oder tun, es wirkt cool.
Die nächste Überraschung ist für mich das Ende: als der Rate-Teil vorüber ist, wechselt der Live-Performance-Stream zu einem aufgenommenen Video in anderem Setting. Die Spieler*innen übersetzen Peter Fox' Haus am See in Emojis, tanzen und laufen dabei auf einem Schulhof herum. Nach den ersten paar Sekunden, in denen ich nur die pure Freude über die Songauswahl und sehr viel Dopamin spüre, bin ich erneut verwirrt. Warum dieser harte cut von interaktiver Show zu Tanzperformance auf dem Schulhof? Warum überhaupt Songs mit Emojis übersetzen? Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger finde ich eine Antwort, bis ich endlich einsehe: Ich will es gar nicht verstehen. Ich will auch nicht zehn verschiedene Interpretationsebenen aufmachen, denn das würde dem Stück das nehmen, was es mir gerade in dieser letzten Szene so eindrücklich mit auf den Weg gibt: Theater muss nicht immer ernst sein. Manchmal ist es einfach ganz viel Spaß und ganz viele Emojis.