Jo, dann mal ran an den Kuhfladen!

Applaus, Applaus!

Miedya

Brüche tun sich auf bei “We for Future”, wenn zu Beginn so getan wird als sei man unbeobachtet, als wäre es ein ganz eigenes Weinen, das da passiert, nicht für Andere, sondern um sich Selbst willen, nur um an anderer Stelle dann perfekt synchronisiert in die Linse der eigenen Webcam zu blicken, wissend, dieser Blick wird aufgezeichnet und den Blicken anderer ausgestellt.

Der Versuch des Authentischen im Schauspiel mag bei manchen ein Unbehagen auslösen vergleichbar mit jenem, das Trash- & Scripted-Reality TV bei mir auszulösen vermag. Einige würden dieses Schauspiel gescheitert nennen, ich sage: es ist das Unauthentische, das Unbehagen, das ernst nehmen wollen und doch nicht immer können, das We for Future zu einem extrem authentischen Stück über die Klimafrage und den Gedanken junger Menschen dazu macht. Die Leistung der Schauspieler*innen, die sich mit dem Format ‚Zoom-Performance‘ auf ein Experiment eingelassen haben, das eindeutig Kind unserer Zeit ist, sie rückt schnell in den Hintergrund. Lobend soll an dieser Stelle auch das Spiel mit den Möglichkeiten des Mediums erwähnt werden. Das sind die kleinen Details des Stückes, die leicht verschwinden hinter der großen Klimafrage.

Schon bei der Redaktionssitzung zum Stück kann man sie hören, Sätze wie ‚Das kennt man ja schon.‘, ‚Vieles weiß man schon vorher.‘, eine Aura des Augenrollens, gleichermaßen viel- und nichtssagend. Was für Ansprüche sind es eigentlich, die sich in diesen ersten Eindrücken offenbaren?

Umweltpolitische Botschaften können nicht mehr originell sein, waren sie vielleicht auch nie. Einerseits, weil sie einem mittlerweile redundant vorkommen und andererseits, weil sie wie kaum ein anderes Thema mit Fakten arbeiten, die eindeutig sind. Es gibt ein Überangebot an Informationen und trotzdem Wissensdefizite. Dieser Umstand scheint die Stückentwicklung stark geprägt zu haben, denn zu Beginn stand eine sehr intensive Recherche, bei der allerlei Expert*innen und Forscher*innen konsultiert wurden. Dass es hier und da schablonenartig wurde im gegenseitigen Aufklärungsmodus zwischen Jugendlichen, liegt eventuell einfach daran, dass das Thema Klimawandel schnell genau das Gegenteil für Durchschnittsbürger*innen wird: zu komplex, zu abstrakt, zu breit, zu interdisziplinär. Originalität findet das Publikum eben oft nur solange gut, wie es meint, sie trotzdem durchdrungen zu haben.

Das kleine f macht den großen Unterschied

Unsere Genervtheit ist kein Gegenargument zum Stück, sondern genau der Grund, warum Jugendliche dieses Stück in dieser Form  darstellen konnten und Erwachsene nicht mehr. Selbst einige Figuren im Stück zeigen eine anfängliche Genervtheit. Dieses Thema also, aha. Aber verübeln kann man es keinem, haben sie doch keine 2 Jahrzehnte bisher auf diesem Planeten verbracht und müssen sich schon mit seiner katastrophalen Zukunft beschäftigen.

Eine engere thematische Einkreisung hätte dem Stück vielleicht gut getan, doch im selben Moment missfällt mir der Gedanke etwas einzukreisen, das verworren wie ein Fadenspiel und dicht wie ein Wurzelwerk ist, sehr.


Stark ist We for Future nicht unbedingt wegen der Aufklärungsdialoge untereinander, deren emanzipatorisches Potential durch die Wiederholbarkeit einer Aufnahme im Vergleich zum Gespräch auf der Bühne leidet. Stark ist es, wenn die inneren Konflikte der jungen Darsteller*innen, die unverschuldeten Schuldigen dieser realen Tragödie, nach Außen kommen, da, wo sie hingehören: in die Umwelt, nicht in ihnen verschlossen, verdrängt und veralbert wie Generationen vor ihnen es gehandhabt haben. Die Gefühle der Figuren hätte ich gerne noch stärker beleuchtet gesehen als ihre möglichen Verhaltensänderungen. Vorschläge für den Einzelnen lenken schnell davon ab, dass eigentlich unsere politischen Handlungsträger*innen in der Pflicht waren und sind. Letztlich gründet die Überforderung der Jugendlichen ja darauf, dass den Klimawandel auffangen eigentlich überhaupt nicht ihre Aufgabe ist/ sein sollte, s. unverschuldete Schuld, aber sich ja sonst niemand in dieses Zoomraster begibt und etwas von der Last abnimmt. Besonders freche Nutznießer*innen dialektischer Rede wehen ihr Fähnchen gern in Richtung ‚Das Private ist politisch‘ und sobald der Wind sich dreht hin zum ‚Es gibt kein richtiges Leben im falschen.‘ Das kleine f macht den großen Unterschied bei diesem gern zitierten, aber oft auch aus dem Kontext gerissenen Satz: es geht nicht darum, ein richtiges Leben als unmöglich abzutun und sich darauf auszuruhen, dass das große Ganze ja schon ein Falsches ist. Im Gegenteil, es ist der Aufruf dazu sich aktiv gegen ein falsches [Leben] zu stellen. Es ist eine Ellipse, keine nominale Prämisse. Es gibt kein richtiges Leben im falschen Leben, sucht gar nicht erst groß danach. Egal wie green-washed manch Produkt, also manch KAUFBARE MÖGLICHKEIT daherkommt, die scheinbar nur dank marktliberalem Kapitalismus auf die Wege geleitet werden konnte, don’t buy it. Also den marktliberalen Kapitalismus, nicht das Produkt. Das kannst du ruhig kaufen, ist ja deine freie Entscheidung, ist ja was Freiheit ausmacht, ist ja das große Versprechen - wenn du es dir leisten kannst.

Das Reden-Über!

Eine Redaktionskollegin sprach von einem versöhnlichen Happy End, mir kommt es immer trauriger vor je weiter das Stück zurück liegt. Ein Happy End wäre, wenn der Bundestag sich einschaltet, diese Kids spielen schickt und sagt ‚Jo, dann mal ran an den Kuhfladen!‘, denn nur sie können die gesetzlichen und ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen setzen, die notwendig sind. Strukturelle Veränderungen statt ökoklassistischem Haudrauf, das nur neue Ausschlüsse produziert. Kunst machen ist da schon Trick 17 zur konstruktiven und politischen Mitgestaltung als junger Mensch. Vor allem in einem konservativen Land, dessen demographische Urne so formklar ist, dass sie genauso gut beim Bestatter stehen könnte.

Ja, in We for Future wird über die Klimakrise geredet und ja, es gibt keine authentische Rede über die Klimakrise. Daraus zu schließen, dass man dann ja auch aufhören kann es zu versuchen, wäre aber falsch. Wir haben noch keine Sprache für das, was bevorsteht und längst angefangen hat, gefunden. Umso wichtiger ist das Reden-Über! Psychotherapeut*innen wissen, dass das Reden über den Leidensdruck zu Beginn jedes Versuchs einer Lösung (oder zumindest Linderung) steht.

Dieser Schmerz ist nicht originell, er ist Allerweltsschmerz, drüber reden tut weh, drüber reden nervt, aber wer nicht drüber redet, und wer bei We for Future nicht zuhört, der hat am Ende vielleicht doch viel weniger gewusst und verstanden als gedacht.