FZ-Redakteurinnen Josi und Laura diskutieren: Hat “We for Future. Eine Recherche zur Klimakrise” von der FutureGroup vom Theater an der Parkaue Berlin den Frust über die Klimakrise präzise abgebildet oder hat es an kreativen neuen Ausdrucksformen gefehlt?
Applaus, Applaus!
Laura: Es gab im letzten Jahr ja so einige Bemühungen, online-Formaten eine Unmittelbarkeit zu verpassen, die über die Distanz des Digitalen hinweg die Zuschauenden erreicht. Oft war es für mich dennoch mehr Kompromiss, meistens spürte man ja irgendeinen Widerwillen und das Gefühl von "in Echt wäre das alles viel besser" hat dann oft zu einer (verständlichen) Ermüdung und wenig Experimentierfreudigkeit der Darstellenden geführt. Aber gestern konnte ich mich erstaunlich gut darauf einlassen und ich finde, innerhalb der Grenzen des Bildschirms wurde sehr viel erkundet und gespielt, die Interaktion war sehr flüssig und es gab immer wieder Überraschungen, zum Beispiel die Idee mit den Mündern auf den Smartphones, die Mutter, die Ameisen, die auf einmal bei allen zuhause waren. Das Ensemble hat sich sehr bemüht, das Format neu zu beleben und das hat mir wirklich gut gefallen. Was meinst du?
Josi: Ging mir ähnlich. Ich fand generell, dass das Stück gut darin war, die eigenen Hürden zum Thema zu machen und performativ nachzuvollziehen. So war es ja auch mit dem Stoff: im Grunde möchte niemand über die Klimakrise reden, es weiß ja im Prinzip auch schon jede*r alles, so richtig aufzurütteln gibt es da nichts. Gleichzeitig hat insbesondere die Generation der Ensemblemitglieder einfach nicht die Option, nicht darüber zu reden.
L: Ich war irgendwann genervt von den Fakten, die man schon so oft gehört hat und dachte mir, es muss doch andere Mittel geben, Leute zum Handeln zu bringen als sie mit Weltuntergangsszenarien zu ermüden. Der Frust, immer wieder vom gleichen sprechen zu müssen, wurde für mich nicht fühlbar. Gibt es nicht im Theater noch bessere Ansätze, Leute zu aktivieren, als zum tausendsten Mal über den Eisbär zu sprechen??
J: Ich weiß nicht, ich hab schon auch diese Ermüdung gespürt, neige aber glaube ich dazu, die total smart zu finden.
Denn der Stoff ist eigentlich scheiße für ein Theaterstück
, und genau diese Paradoxie ist das Thema, oder? Dieses Auseinanderklaffen von Wirklichkeit und Effekt bei anhaltenden Krisen. Normalerweise kennt man das eher so: es gibt eine Sache, deren tragisches oder dramatisches Potential gar nicht so offensichtlich ist, und das Theater hält sozusagen einen Scheinwerfer drauf, macht das alles nachvollziehbar, und man fühlt etwas so richtig, das einem vorher gar nicht richtig bekannt war. Die innerliche Frage richtig zu stellen, löst den Knoten schon (wie: wo kommt eigentlich mein Hass her? Warum fühle ich mich so gefangen? Vielleicht liegt es an Zoom. Am Ende gibt es dann was zum Nachdenken oder Katharsis. Mit der Klimakrise funktioniert das nicht. Die geht nicht einfach so weg, ). Die hört nicht auf, eine Katastrophe zu sein,aber sie fügt sich halt so in den Alltag, das ist wahnsinnig schnell nicht mehr geil, und das ist das krasse: von einer komplett existentiellen Bedrohung schon auch einfach gelangweilt, einfach genervt zu sein. Ach du bist es, Weltuntergang, komm, nicht schon wieder.
L: Ich will jetzt nicht wie ein boomer klingen, ich fühle mich auch irgendwie mies dabei Kritik an einem Stück zu üben, dessen Beweggründe einfach unbestreitbar wichtig sind. Gerade jetzt, wenn der Aktivismus seit Monaten durch eine Pandemie erschwert wird. Und genau die Stellen waren für mich stark, an der die ganze Verzweiflung spürbar wurde: Wie soll ich mich auf Hausaufgaben konzentrieren, wie soll ich die "Leiden des jungen Werther" interpretieren, wenn es um die Zukunft eines ganzen Planeten geht? Wenn ich alles in den Klimaschutz investiere, verliere ich persönlich. Trotzdem, genau an den Stellen, an denen die Katastrophe zum Alltag wird, kann Kunst einhaken und neue Mittel finden - und gleichzeitig vermeiden, dass die Bedrohung lähmt. Im Stück kam dann aber auch zum x-ten Mal eine Nutella- oder Duschstelle oder wie mies Petra ist und ich dachte mir wieder: ok, die Zukunft des Planeten wird auf meine Schultern gelegt, es geht mal wieder um individuelle Verantwortung, how about Systemkritik. Dann ist es nicht mehr “nur” die Gewöhnung an die Krise, sondern auch die Genervtheit, dass Fahrradfahren oder weniger Duschen eben nicht innerhalb von zehn Jahren den Planeten rettet.
J: Petra hat mich auch gestört, vor allem weil es dann doch wieder eine Figur angeprangert wird, die für die 10 Minuten zur Arbeit den Porsche nimmt. Denn das Tragische an der Situation ist ja eher, wie unerheblich der scheiß Porsche am Ende ist - dass man so, wie die Dinge gerade liegen, eben auch alles richtig machen kann, und es fährt trotzdem alles zur Hölle. Gleichzeitig hatte ich schon das Gefühl, dass sie das einfangen - wie unbedeutend individuelles Handeln ist, und wie verarscht man sich fühlt, wenn man versucht, alles richtig zu machen. Aber stimmt schon, vielleicht fehlte daraus ein bisschen die Konsequenz. Vor allem die Konsequenz im Konkreten, denn wenn es darum geht, eigene Konsumentscheidungen zu reflektieren, sind sie ja angenehm klar: fahrt Fahrrad, kauft dies und jenes nicht mehr. Ich denke diese Konkretheit ist eigentlich auch mit Blick auf das große Ganze möglich, auch wenn’s dann wieder schnell pathetisch und größenwahnsinnig wird. Aber es gibt ja diese Ansätze: Streikt, setzt euch massenhaft auf den Kohlebagger. Und vielleicht geht da halt nur Größenwahn.
L: Das ist halt echt dieser Balanceakt bei diesem Thema: weder zu pathetisch und apokalyptisch, noch zu schlapp und gemäßigt zu wirken. Ersteres ist dann auf jeden Fall politisch gesehen das angebrachtere Mittel, auch wenn es künstlerisch halt oft so meeeh ist.
J: Ich glaube das war für mich so eine Art Quintessenz: Klimakrise bedeutet aus der Perspektive einer jetzt jungen Person: nichts funktioniert. Nicht in echt und nicht im Theater. Alles ist abgegriffen, alles fühlt sich wie ein Placebo an, alles, was man tun könnte, ist eh nicht genug. Dass sie dann am Ende darauf rauskommen, dass nun mal resignieren auch nicht funktioniert, dass sie sich also qua Mangel an Alternativen für den Pathos entscheiden - und dass wir das gerne langweilig finden können, aber das ist halt die verbrauchteste Pose von allen - das hat mich wirklich gekriegt.